Die Gesetzgebung in der Pflege- und Gesundheitspolitik war in den letzten Monaten und im letzten Jahr Dauerthema und sorgte für reichlich Diskussionsstoff. Viele Menschen mit Beatmung und Technologiebedarf fühlen sich von der Politik alleine gelassen. Auch ich finde, dass die Politik viel zu weit von der Praxis entfernt ist. Aber wenn wir jetzt die ganzen Gesetzesdiskussionen mal weggelassen – wie sieht es denn konkret aus in der Praxis? Wie gut bin ich hausärztlich versorgt? Was passiert, wenn ich einen Notfall habe und per Notarzt in die Notfallambulanz gebracht werden muss? Und zu guter Letzt eine aus meiner Sicht ganz entscheidende Frage, wie viel bürokratischen Aufwand bedeutet das für mich als Betroffener? Beginnen wir doch einfach mal mit der Basis, die hausärztliche Versorgung. Ich gehöre zum Glück zu den Bürgern und Bürgerinnen, die auf eine engagierte Hausärztin zählen können. Trotzdem bekomme ich hautnah mit, dass die gute Frau und ihre Praxis ziemlich überlastet sind, da sie nicht nur viele Patienten und Patientinnen haben, sondern auch viele Patienten und Patientinnen mit Behinderung. Das ist in jedem Fall ein Mehraufwand, da bei diesem Personenkreis Hausbesuche anfallen und viel mehr Rezepte und Verordnungen ausgestellt werden müssen. Mitunter führt das zu Organisationschaos, welches ich deutlich zu spüren bekommen. Obwohl ich meine Rezeptwünsche bis aufs letzte Detail in E-Mails zur Praxis schicke, sind die Rezepte oft nicht korrekt ausgestellt und man muss ständig hinterher telefonieren. Ein guter Service sieht wahrlich anders aus! Aber eine engagierte Hausärztin, die mich schon jahrelang kennt und zu der ich viel Vertrauen habe, wechselt man nicht einfach mal im Handumdrehen. Zumal sie im Notfall immer da ist und genau weiß, was zu tun ist. Außerdem ist die Praxis barrierefrei, was längst nicht alle Arztpraxen von sich behaupten können, vor allem wenn es sich um Fachärzte handelt. Also sind meine Probleme wohl eher Jammern auf hohem Niveau. Spannend wird es im akuten Notfall, wenn der Notarzt aus bestimmten Gründen gerufen werden muss. Das kann auch mal ein verstopfter Katheter sein – ist zwar nicht lebensgefährlich, bei voller Blase aber sehr schmerzhaft. Dies ist beim Anruf bei der 112 deutlich zu benennen. Sonst kann es passieren, dass man nach zweistündiger Wartezeit noch mal auf der Leitstelle anrufen und die Dringlichkeit erklären muss. Dieser Vorgang zeigt, dass dieses System zwar noch funktioniert, aber längst nicht so reibungslos, wie es eigentlich sein sollte. Ein großes Problem ist wie in so vielen Branchen, dass es am Nachwuchs mangelt. Oftmals sind die schlechten Bedingungen der Grund. Diesbezüglich gibt es glücklicherweise auch positive Entwicklungen in der Pflegebranche zu vermelden. Die Pflegelohnkommission des Bundesarbeitsministeriums hat einen deutlich höheren Mindestlohn für Pflegehilfskräfte empfohlen; er soll auf bis zu knapp über 16 Euro im Juli 2025 steigen. Vor allem für Menschen, die persönliche Assistenz über einen Pflegedienst beziehen, ist das eine gute Nachricht. Ist in diesem Setting die Personalnot nicht zuletzt deshalb so groß, weil die Assistenzkräfte zu wenig verdienen – obwohl sie bei ihrer äußerst sinnstiftenden Arbeit eine hohe Verantwortung tragen. Diese Maßnahme ist zwar wegen der hohen Inflation überfällig, aber ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.
Marcel Renz
Der E-Rollstuhl-Fahrer lebt mit Muskeldystrophie Duchenne und Beatmung. Der leidenschaftliche Blogger www.marcel-gibtgas.de arbeitet als freier Journalist und schreibt vorwiegend im Bereich Inklusion. Er hält Vorträge und Webinare über die Erfahrungen mit seiner Behinderung.


