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Die IGBP sieht die Pläne des Bundesfinanzministeriums kritisch, bereits ab Januar 2025
erhebliche Beschränkungen der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen
vorzunehmen. Diese Reform sieht unter anderem vor, die Umsatzsteuerbefreiung für
Bildungsdienstleistungen ausschließlich auf gemeinnützige Einrichtungen zu beschränken.
Dieser Vorstoß hätte weitreichende negative Auswirkungen auf die gesamte
Weiterbildungsbranche und bedarf vor Verabschiedung dringend der Korrektur.
Was ist geplant?
Derzeit sind Bildungsdienstleistungen in Deutschland von der Umsatzsteuer befreit,
unabhängig davon, ob sie von gemeinnützigen oder gewerblichen Anbietern erbracht
werden. Die bisherige Regelung kommt zunächst allen Studierenden und Teilnehmern an
beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen zugute, die üblicherweise als Endkunden keine
Möglichkeit der Mehrwertsteuererstattung haben, was die Akzeptanz und persönliches
Engagement für berufliche Weiterqualifikation fördert. Damit verbunden ergibt sich auch
eine breite Verfügbarkeit und Vielfalt von Bildungsangeboten, was zur gesellschaftlich
erwünschten eigeninitiativen beruflichen und persönlichen Entwicklung vieler Menschen
beiträgt.
Für die von der IGBP vertretenen Bildungsangebote im Gesundheitswesen kommt der
Umstand hinzu, dass die Abrechnung von Gesundheitsdienstleistungen durch Krankenkassen mit Krankenhäusern, Pflegediensten und ihren Mitarbeitenden ebenfalls umsatzsteuerfrei erfolgt, wodurch eine Belastung von Bildungsangeboten für Gesundheitsberufe eine überproportionale und nicht gerechtfertigte Verteuerung bedeutete.
Nach einem Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium sollen die bislang vernünftige und
gerechte Regelung der Steuerbefreiung ab dem 1. Januar 2025 nur noch für gemeinnützige Bildungseinrichtungen gelten. Gewerbliche Bildungsanbieter wären demnach verpflichtet, ihre Bildungsangebote mit der regulären Umsatzsteuer von 19 Prozent zu belegen. Dies würde zu erheblichen Preissteigerungen für alle Teilnehmer an Weiterbildungsangebote führen, was zwangsläufig die Teilnahmebereitschaft und die Erreichbarkeit von Bildung für viele Menschen mindern würde.
Der aktuelle Regierungsentwurf „Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024)“ in Bezug auf die
„Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG)“ vom Juni 2024 reagiert
auf eine Rüge der EU-Kommission vom Februar 2024, dass Deutschland den Artikel 132 i) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) nicht in nationales Recht umgesetzt hat.
Nach der Sommerpause soll der Entwurf in die Beratung gehen.
Kritikwürdig an der Reform ist:
1. Erhöhung der Weiterbildungskosten: Durch die Einführung der Umsatzsteuer
würden die Preise für Weiterbildungsmaßnahmen oder Studien an privaten
Hochschulen erheblich steigen. Viele Studierende und Weiterbildungsteilnehmer,
insbesondere solche mit geringem Einkommen, aber auch soziale Organisationen, die
nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, würden künftig 19 Prozent mehr für Bildung zahlen.
2. Ungleichbehandlung von Bildungsträgern und Wettbewerbsverzerrung: Die
Steuerbefreiung nur für gemeinnützige Einrichtungen schafft einen unfairen
Wettbewerbsvorteil und benachteiligt gewerbliche Bildungsträger im Vergleich zu
gemeinnützigen Einrichtungen. Der freien Markt wird damit weiter verzerrt, wenn
Bildungsanbieter, die ohnehin schon oft aus Kirchensteuern oder anderen sozialen
Förderungen profitieren, weiter bevorzugt werden.
Diese Benachteiligung führt zwangsläufig zu einer Verdrängung gewerblicher
Anbieter und einer dirigistischen Einengung Möglichkeiten für
privatwirtschaftliche Innovation, Vielfalt und Qualität sowie Effizienz in der
Bildungsbranche.
3. Höhere Kosten im Gesundheitswesen: Die Abrechnung von
Gesundheitsdienstleistungen durch Krankenkassen mit Krankenhäusern,
Pflegediensten und ihren Mitarbeitenden ist umsatzsteuerfrei. Der dann nötige
Aufschlag auf Bildungsangebote belastet weiterbildungswillige Pflegekräfte,
Pflegedienste und Krankenhäuser unnötig zusätzlich.
4. Negative Auswirkungen auf freiberufliche Lehrende: Freiberuflich tätige Lehrende
werden dem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt, künftig Umsatzsteuer abführen zu
müssen. Bestehende Verträge mit Bildungsträgern werden hinfällig.
5. Bürokratisierung und zusätzliche Belastungen: Auch gemeinnützige
Bildungseinrichtungen gelangen an neue bürokratische Herausforderungen, da sie
dann nachweisen müssten, dass ihre Gewinne ausschließlich der Bildung dienen. Ihre
Angebote würden sich auch jenseits dieser Nachweispflicht und Bürokratie deutlich
Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024) 3/3
verteuern, weil auch deren Gestellungskosten mit der Mehrwertsteuerpflicht der
freiberuflichen Dozenten, steigen.
6. Keine Planungssicherheit: Aktuell befinden sich Bildungsträger bereits in der
Kursplanung und Jahreskalkulation für 2025; viele bereits für das neue Jahr gebuchte
Bildungsangebote ohne Mehrwertsteuer müssten umgebucht werden, was zu
unnötiger Bürokratie, sozialen Schieflagen und vielen Stornierungen führen wird.
Bildungsanbietern wird die betriebswirtschaftlicher Grundlage genommen und die
Bildungsbranche faktisch verschlechtert.
Forderung:
Die IGBP appelliert daher an das Bundesfinanzministerium, diese Reform kritisch zu
überdenken und im Dialog mit Bildungspartnern Lösungen zu finden, die eine faire und
zukunftsorientierte Bildungslandschaft ermöglichen. Somit besteht Handlungsbedarf jetzt
allein darin, die Umsatzsteuerreform dahingehend zu beschließen, dass der Erhalt der
Umsatzsteuerbefreiung für alle Bildungsdienstleister, unabhängig vom Einrichtungsstatus,
erhalten bleibt. Dies sichert Chancengleichheit, Innovation, Vielfalt und Qualität der
Bildungslandschaft.
Bildung muss erschwinglich und erreichbar für alle bleiben!
Im Sinne der vernunftorientierten Bildungsstrategie muss es Aufgabe des Staates sein, gute Rahmenbedingungen für Bildung zu schaffen und abzusichern. Bildung und berufliche
Weiterbildung sind essenzielle Bausteine für die persönliche und berufliche Entwicklung
jedes Einzelnen und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der Gesellschaft. Gerade im
Bereich der Pflege mit dem anhaltenden Fachkräftemangel ist die Verteuerung oder
Einschränkung von Bildungsangeboten ein zusätzliches und unnötiges Problem mit
weitreichenden negativen Folgen. Im Gegensatz zur aktuellen Reform sollten bestehende
Hürden für Bildung abgeschafft und lebenslanges Lernen stärker priorisiert verankert
werden.