Wichtige Impulsen auf dem DIGAB

Die Freude war groß, dass der 28. Jahreskongress der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung DIGAB e.V. und das 15. Beatmungssymposium unter der Schirmherrschaft der DGP e.V. vom 19. bis 21. Mai 2022 in Münster endlich wieder live stattfinden konnte. Unter strengen Hygienevorschriften trafen sich über 400 Menschen mit Beatmung, Angehörige aller Berufsgruppen, die in der klinischen und außerklinischen Versorgung tätig sind, sowie Vertreterinnen und Vertreter von Selbsthilfegruppen, Verbänden, Krankenkassen und Unternehmen der Medizintechnik.

Kongresspräsidentin PD Dr. med. Inga Teismann, Fachärztin für Neurologie, Klinik für Innere Medizin II, Clemenshospital in Münster und PD Dr. med. Matthias Boentert, Facharzt für Neurologie, Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie, Universitätsklinikum Münster, hatten gemeinsam mit den DIGAB-Sektionen ein abwechslungsreiches Programm mit einem inhaltlichen Schwerpunkt auf neurologischen und vor allem neuromuskulären Erkrankungen konzipiert. Erstmals kamen das Kongresspräsidententeam aus der Neurologie, die sich auch in entsprechenden DIGAB-Sektionen engagieren. Dr. Teismann ist in der DIGAB stellvertretende Sprecherin der Sektion „Dysphagie“ und Dr. Boentert stellvertretender Sprecher der Sektion „Neurologie und Neuro-Rehabilitation“. Weitere Schwerpunkte der Jahrestagung waren Weaning, Dysphagie, Versorgung und (Post-)COVID. Zudem führten die einzelnen Sektionen, die sich am Rande des Kongresses zu Sektionssitzungen trafen, eigene Themen-Sessions durch. Im Rahmen von „International Views“ erhielten Interessierte einen Einblick in das niederländische Versorgungsnetzwerk für Menschen mit außerklinischer Beatmung, in das Weaning-Konzept in Nijmegen/NL und in das „Aims and concept of the Sheffield University ALS centre“ in Großbritannien.

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) e.V., die unter anderem mit PD Dr. med. Michael Westhoff, stellvertretender Sprecher von WeanNet, und Dr. med. Sarah Schwarz, stellvertretende Sprecherin der Sektion 5 „Intensiv- und Beatmungsmedizin“ der DGP, vertreten war, veranstaltete wieder ein Beatmungssymposium mit einem Schwerpunkt auf die Außerklinik. Dr. Schwarz und Dr. Miriam Soltau, die beiden neuen Sprecherinnen der Sektion „Außerklinische ärztliche Versorgung“, wurden übrigens von Dr. med. A. Hakim Bayarassou, Präsident elect, als das neue Frauen-Powerteam in der DIGAB e.V. begrüßt.

Begleitend zum Kongress finden immer die Sitzungen des DIGAB-Vorstands und die Mitgliederversammlung statt. Da Meike Grimm, Dipl. Soz. Arb., turnusgemäß als Schatzmeisterin aus dem DIGAB-Vorstand mit einem großen Dank für ihre hervorragende Arbeit, aus dem Vorstand von Dr. Schucher verabschiedet wurde, stand die Wahl für die Nachfolge an. Sie fiel auf Kay Wilke-Schultz, Geschäftsführer Theracura, Rechtsanwalt und Berater im Gesundheitsbereich insbesondere Aufbau und Begleitung von Medizinischen Versorgungszentren sowie Pflegediensten, der die DIGAB nun als Mitglied des Vorstands in den kommenden vier Jahren unterstützen wird.

Diejenigen, die nicht nach Münster kommen konnten, hatten die Möglichkeit, an einem Tag den Kongress via LIVE-STREAM mitzuverfolgen. Von diesem Angebot wurde rege Gebrauch gemacht und wird sicherlich auch bei den künftigen Kongressen eine Rolle spielen. Die meisten jedoch genossen es sehr, sich vor Ort miteinander in den Symposien, Pro & Contra-Sessions und offenen Sprechstunden auszutauschen und miteinander zu diskutieren. Vielen brannte das Thema „Versorgungssicherheit“ und die Konsequenzen des 2020 in Kraft getretenen GKV-IPReG für die außerklinische Beatmungspflege unter den Nägeln. Maria-Cristina Hallwachs konnte sich in Münster endlich persönlich als die neue ständige Vertreterin der Menschen mit Beatmung vorstellen und sie wirkte in vielen Sessions mit. Eindrucksvoll schilderte sie unter anderem die Ängste und Befürchtungen vieler Menschen mit Beatmung angesichts des GKV-IPReGs. Dass in den letzten drei Jahren allein aus ihrem Bekanntenkreis bereits fünf Menschen mit Beatmung ihrem Leben ein Ende gesetzt haben, weil sie die Ungewissheit, ob ihre häusliche Versorgung unter den neuen Umständen noch gesichert sei, erschütterte zutiefst. Umso wichtiger ist es, dass es mit Maria-Cristina Hallwachs und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern in der DIGAB eine starke Lobby für die Menschen mit Beatmung gibt und sie die Vernetzung fördert. Während der Tagung wurden wieder zahlreiche Workshops angeboten, die entweder mit den Kongressschwerpunkten korrespondierten oder in altbewährter Manier und „hands-on“ wichtige alltagspraktische Themen abdeckten.

Den Festvortrag über die „Langzeitbeatmung als ethische Herausforderung“ hielt Professor Dr. med. Bettina Schöne-Seifert, Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Einleitend wies sie sie darauf hin, dass man mit großer Dankbarkeit feststellen müsse, welch hervorragende Behandlungsmöglichkeiten es inzwischen gebe, wie gut ausgestattet und fortschrittsaffin das Gesundheitssystem sei, andererseits seien Ressourcen knapp und es gebe zu wenig Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, Entwöhnungszentren et cetera und es sei nicht absehbar, ob es nicht noch größere Knappheit geben werde. Ihre Aufgabe als Ethikern sei es, faktenbasierte Antworten zu suchen, zu systematisieren, Probleme zu präzisieren, Debatten zu strukturieren und Optionen aufzuzeigen, wie man in welcher Gesellschaft leben könne. Ethikerinnen und Ethiker seien keine Besserwissende, sondern verstünden sich als Katalysatoren im Spannungsfeld zwischen der Möglichkeit grenzenloser Behandlung und Gemeinwohlinteressen.

Unter dem Vorsitz von DIGAB-Präsident Dr. med. Bernd Schucher und Präsident elect, Dr. med. A. Hakim Bayarassou, wurden im Rahmen der Freien Vorträge eingereichte Abstracts vorgetragen, die neben reinen Beatmungsthemen bis hin zu „Assistierte Dialyse im häuslichen Umfeld“ und die Sicherheit in der Hilfsmittelversorgung häuslich beatmeter Patienten. Eine unabhängige Jury entschied über die Preisträger: Den 1. Platz belegte Dr. med. Jens Bräunlich, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Abteilung für Pneumologie, Leipzig mit seinem Vortrag über „Effective flow rates and decarboxylation differs between nasal high-flow devices”, den 2. Platz machte PD Dr. med. S. Walterspacher, Klinikum Konstanz, der online zugeschaltet über „Der schwierige Atemweg mit Tracheostoma – Algorithmus zur Versorgung anhand eines Fallbeispiels“ referierte, den 3. Platz machte Dr. M. Wollsching-Strobel, Lungenklinik Köln mit dem Thema „Anämie verringert erheblich die gesundheitsbezogene Lebensqualität von COPD-Patienten mit häuslicher nicht-invasiv Langzeitbeatmung“. Die Abstracts sind hier zu finden. Beim niveauvollen Gesellschaftsabend mit guten Essen und Musik im LUX, im Gebäude des LWL-Museums für Kunst und Kultur, wurden erhielten die Preisträger eine Urkunde, einen Reisegutschein zum DIGAB-Kongress 2023 in Hamburg sowie ein Preisgeld.

Erstmals entschieden die Kongresspräsidenten gemeinsam mit der DIGAB e.V., einen Teil des Kongressüberschusses zu spenden. Dr. Teismann und Herr Dr. Boentert gaben bekannt, dass sie ein Krankenhaus in der Ukraine, das Psychiatric and Neurological Hospital of Ternopil, mit 3.000,00 Euro unterstützen. Frau Teismann und Herr Boentert hatten bereits vor dem Kongress ein Zoom-Meeting mit Frau Professor Schewtschuk und Herrn Dr. Musienko, bei dem die beiden sehr eindrücklich davon berichteten, dass in Ternopil – wie vermutlich überall in der Westukraine – die Krankenhäuser mit einer gigantisch großen Zahl an Binnenflüchtlingen und Kriegsverletzten konfrontiert sind, die medizinisch grundversorgt werden müssen. Mit dem Geld soll ein portables Ultraschallgerät teilfinanziert werden, das für Bedside-Untersuchungen eingesetzt werden kann. Wer dieses ukrainische Krankenhaus unterstützen möchte, kann sich wegen weiterer Informationen gerne an die DIGAB-Geschäftsstelle wenden.

Mit einem großen Dank an die Kongresspräsident*innen, alle Mitwirkenden, die Industriepartner und Intercongress, die die Jahrestagung hervorragend vorbereitet und begleitet hat, verabschiedeten Dr. Schucher und Dr. Bayarassou die Teilnehmenden und luden sie zum 29. Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V. zusammen mit dem 16. Beatmungssymposium unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. vom 7. bis 9. September 2023 nach Hamburg ein, der dann unter der Leitung von PD Dr. med. Sven Hirschfeld und Dr. med. Benjamin Grolle stattfinden wird.

www.digab.de
www.digab-kongresse.de

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