G-BA verlängert Übergangsregelung zur Potenzialerhebung und beschließt Ausnahme

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege erneut angepasst. Konkret verlängerte er eine bereits bestehende Übergangsregelung zur sogenannten Potenzialerhebung bis zum Sommer 2025 und beschloss eine neue Ausnahmeregelung für bestimmte Versicherte. Hintergrund ist eine nach wie vor bestehende strukturelle Problemlage in der Versorgung: Nach dem Willen des Gesetzgebers muss vor einer Verordnung außerklinischer Intensivpflege bei beatmeten oder trachealkanülierten Patientinnen und Patienten geprüft werden, ob eine vollständige Entwöhnung der Betroffenen oder ihre Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung beziehungsweise die Entfernung der Trachealkanüle möglich ist. Doch auch nach fast zwei Jahren mit dieser gesetzlichen Regelung für die außerklinische Intensivpflege ist trotz dem Engagement aller Beteiligten leider unklar, ob flächendeckend genug ärztliche Kapazität dafür verfügbar ist. Dabei steigt die Anzahl der benötigten qualifizierten Ärztinnen und Ärzte kontinuierlich.

Dr. Bernhard van Treeck, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Veranlasste Leistungen, der für die Richtlinie über die Versorgung von außerklinischer Intensivpflege (AKI) zuständig ist, zum aktuellen Beschluss: „Regelmäßige Potenzialerhebungen sind ein unverzichtbares Instrument des Patientenschutzes. Es erfordert besondere Sorgfalt, die zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Potenzialerhebung im Blick zu behalten und zugleich auch die berechtigten Interessen der Versicherten. Mit den aktuellen Änderungen ist die Hoffnung verbunden, dass sich die Lücke zwischen dem gesetzlichen Anspruch und dem aktuellen Versorgungsangebot im nächsten Jahr endlich schließt und die Versorgung langfristig gesichert ist. Wenn der Bedarf an außerklinischer Intensivpflege besteht, muss eine Verordnung trotz struktureller Probleme immer möglich sein. Die Versorgungssicherheit mit außerklinischer Intensivpflege unter Berücksichtigung des Patientenschutzes und der Versorgungsrealität war und ist für den G-BA handlungsleitend. Aus meiner Sicht ist der heutige Beschluss der aktuell bestmögliche.“

Übergangsregelung zur Potenzialerhebung verlängert

Angesichts der aktuell noch nicht überall zur Verfügung stehenden ärztlichen Kapazitäten für Potenzialerhebungen verlängert der G-BA die befristete Lockerung beim Erheben des Entwöhnungspotenzials über das Jahresende 2024 hinaus: Für den Fall, dass eine qualifizierte Ärztin oder ein qualifizierter Arzt nicht rechtzeitig verfügbar sein sollte, ist die Potenzialerhebung bis zum 30. Juni 2025 keine zwingende Voraussetzung für die Verordnung außerklinischer Intensivpflege. Anlassbezogen können Patientinnen und Patienten weiterhin zu ihrer eigenen Sicherheit eine Potenzialerhebung veranlassen.

Die Dauer der ohne Potenzialerhebung verordneten außerklinischen Intensivpflege ist nicht automatisch auf Ende Juni 2025 begrenzt. Wird etwa eine Verordnung am 10. Juni 2025 ausgestellt, kann die Leistung natürlich über den 30. Juni 2025 hinaus andauern. Allerdings soll in solchen Fällen die verordnende Ärztin oder der verordnende Arzt darauf hinwirken, dass mindestens eine Potenzialerhebung möglichst bald erfolgt. Dies kann etwa geschehen, indem die Ärztin oder der Arzt bereits bei der Verordnung für eine zeitnahe Terminfindung Kontakt zu potenzialerhebenden Medizinerinnen oder Medizinern aufnimmt. Auf der Verordnung ist zu begründen, warum bislang keine Potenzialerhebung erfolgen konnte. Außerdem ist vom Verordnenden anzugeben, ob ein Termin dafür vereinbart wurde und wenn ja, für wann.

Ausnahmen bei der Potenzialerhebung für bestimmte Versicherte

Für Versicherte, die schon vor dem 31. Oktober 2023 Leistungen der außerklinischen Intensivpflege erhalten hatten und diese weiterhin bekommen, hat der G-BA eine weitere Ausnahme vorgesehen: Wurde oder wird bei diesen Versicherten im Rahmen einer Potenzialerhebung festgestellt, dass bei ihnen keine Aussicht auf eine nachhaltige Verbesserung ihrer Situation besteht, sind Verordnungen zur außerklinischen Intensivpflege weiterhin auch ohne regelmäßige Potenzialerhebung möglich. Voraussetzung ist, dass eine Potenzialerhebung bis zum 31. Oktober 2025 erfolgt ist oder erfolgt sein wird. Mit dieser Regelung soll die Versorgungssituation langfristig entlastet und unnötige Bürokratie vermieden werden.

Inkrafttreten

Die Änderungen der AKI-Richtlinie sollen mit Wirkung zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. So kann sichergestellt werden, dass es keine Leistungsunterbrechungen für Versicherte gibt. Zuvor geht der Beschluss zur rechtlichen Prüfung an das Bundesministerium für Gesundheit und wird danach im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Hintergrund: Verordnung von außerklinischer Intensivpflege

Der Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege beruht seit Oktober 2020 auf einer neuen gesetzlichen Grundlage (§ 37c SGB V). Seit 31. Oktober 2023 ist daher die Richtlinie über die Versorgung von außerklinischer Intensivpflege (AKI-RL) verbindlich bei der Verordnung von außerklinischen Intensivpflege anzuwenden. Zugleich ist der bisherige Leistungsanspruch über die Häusliche Krankenpflege-Richtlinie entfallen. Um möglichen Engpässen aufgrund der neuen gesetzlichen Regelung entgegen zu wirken, hatte der G-BA bereits im Sommer 2023 seine AKI-Richtlinie um eine befristete Übergangsregelung ergänzt.

Außerklinische Intensivpflege erhalten schwerstkranke Menschen, bei denen es zu jeder Zeit zu lebensbedrohlichen Situationen kommen kann. Die Versorgung ist eine komplexe und anspruchsvolle Leistung für eine äußerst heterogene Gruppe von Patientinnen und Patienten. Außerklinische Intensivpflege kann bis zu 5 Wochen oder im Rahmen des Entlassmanagements nach einem Krankenhausaufenthalt bis maximal 7 Tagen verordnet werden.

Nähere Informationen sind auf der Website des G-BA zu finden: Außerklinische Intensivpflege

Arztpraxen und spezialisierte Einrichtungen, die das Entwöhnungspotenzial erheben und AKI verordnen dürfen, sind über das Gesundheitsportal „gesund.bund.de“ des Bundesministeriums für Gesundheit zu finden: Zur Arztsuche

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