Glauben und hoffen – ob das reicht?

Am 28. Februar trafen sich 120 Teilnehmer in Berlin bei der Veranstaltung „Quo vadis außerklinische Intensivversorgung? – Wie kann eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet werden?“. 100 weitere Interessierte konnten die politische Diskussionsrunde per Video-Zuschaltungen verfolgen. Eins vorneweg: Der Tag im Hotel Adlon in Berlin war ein voller Erfolg. Der Austausch über die konkreten Auswirkungen des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes sowie der daraus folgenden Richtlinien auf die Menschen mit Beatmung war intensiv und führte bei dem einen oder anderen Teilnehmer – vor allem den Vertretern von Krankenkasse, Medizinischem Dienst und Kassenärztlicher Vereinigung zu Erstaunen.

Viele wichtige Fragen wurden bei der zweistündigen Podiumsdiskussion mit Corinna Rüffer (Bündnis 90 / Die Grünen), Kay Wilke-Schulz (Vorstandsmitglied der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung DIGAB e.V.), Hans-Joachim Fritzen (stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost), Laura Mench (Aktivistin und Beraterin bei aktiv und selbstbestimmt e.V.), Professor Dr. Michael Isfort (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung), Dr. Kerstin Haid (leitende Ärztin – medizinischer Dienst Bund) und Julius Lehmann (Leiter der Abteilung „veranlasste Leistungen“ der kassenärztlichen Bundesvereinigung) angesprochen. Einig war man sich darin, dass niemand etwas gegen eine Verbesserung der außerklinischen Intensivpflege einzuwenden habe. Das Gesetz könne aber bereits jetzt Erfolge verzeichnen, wurde vereinzelt angebracht. Durch die Auflage für Akutkliniken die Entwöhnung von Beatmung und/oder Dekanülierung bei Patienten und Patientinnen vor deren – oft auch vorzeitiger Entlassung in die außerklinische Versorgung – zu versuchen oder aber die Betroffenen in ein spezialisiertes Weaningzentrum zu überweisen, wurde die größte Behandlungslücke und Ursache der hohen Zahl an Patienten und Patientinnen bereits, geschlossen. Sicher ist für diese Entwicklung auch die Aussicht auf Abschlagsforderungen bei Nichtbeachtung ein nicht zu unterschätzender Faktor. Aber eines ist auch klar: Die Patientengruppe mit den höchsten Weaningpotenzialen – die frisch von Intensivstationen Entlassenen – deckt sich nicht mit den zum Teil bereits langjährig außerklinisch versorgten Menschen. Und von diesen waren viele aus ganz Deutschland angereist, um sich an der Diskussion zu beteiligen. Die Unsicherheit, wie es nach dem 30. Oktober – so lange reicht die Übergangsfrist durch den G-BA – weitergehen soll, beunruhigt viele der Menschen mit Intensivpflege zutiefst. Zumal die für die Umsetzung des Gesetzes notwendigen Versorgungsstrukturen noch immer nicht vorhanden sind.

Zwar gibt es zum Beispiel nun das angekündigte Curriculum für die Fortbildung der Hausärzte und -ärztinnen, damit diese auch weiterhin außerklinische Intensivpflege verordnen dürfen, aber das allein reicht natürlich nicht. Und zu bedenken steht: Können die Menschen mit Beatmung ab 30. Oktober 2023 ihrer Krankenkasse keine Potenzialerhebung, die nicht älter als drei Monate ist, vorlegen, erhalten sie nach derzeitiger Gesetzeslage keine weitere Verordnung. Vor allem an die Fachpolitik wurde und wird deshalb das große Anliegen der Teilnehmenden adressiert, die Umsetzungsfrist des GKV-IPReG so lange zu verschieben, bis die Versorgungsstrukturen vorhanden sind. Nach der Veranstaltung schrieb Corinna Rüffer (Bündnis 90 / Die Grünen) unter dem #dieinklusiveGesellschaftgestalten: „… alle gestanden ein, dass schon aufgrund des Fachkräftemangels bei Ärzten, Ärztinnen und Pflegekräften die Umsetzung der Vorgaben auf absehbare Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu erfüllen sind. Manche ‚glauben‘ nicht daran, dass beatmete Menschen unter Druck geraten werden, wenn die Regelungen wie geplant ab November Gültigkeit erlangen würden. Es werde schon alles beim Alten bleiben … Darauf würde ich mich auch nicht verlassen und weiß, dass sich nicht nur in meiner Fraktion Leute dieselben Gedanken machen. Glaubensfragen sind eh nicht meine Sache. Rechtssicherheit ist besser. Wir bemühen uns drum.“ In der Tat: Glaube, Liebe, Hoffnung? Das wird im Falle von der Umsetzung des nach wie vor umstrittenen GKV-IPReG nicht reichen, um den Menschen rund um die außerklinische Intensivpflege Sicherheit zu bieten.

Nach der von Christoph Jaschke moderierten Podiumsdiskussion wurden die Gespräche beim anschließenden World Café vertieft. Hier ging es um Selbstbestimmung, Versorgungsnetzwerke, Lebensformen heute und in Zukunft sowie Innovationen. Die Moderatoren und Moderatorinnen an den Tischen, allesamt Mitglieder des GKV-IPReG ThinkTank, hatten sich lange darauf vorbereitet und fassten am Ende der Veranstaltung die Ergebnisse prägnant zusammen.
Beim anschließenden Get Together hörte man von vielen Teilnehmenden, dass sie sehr viel gelernt hätten. Vor allem aber haben sich auch viele Menschen kennengelernt, die einander ansonsten nie begegnen würden. So blieben die meisten Experten und Expertinnen, die bereits auf dem Podium gesessen hatten, bis zum Schluss und nutzten in den Räumen des Adlon Hotels die Gelegenheit, sich insbesondere mit Menschen mit Beatmung sowie ihren An- und Zugehörigen auszutauschen. Gemeinsam kann und könnte man so viel erreichen, das hat sich in Berlin wieder gezeigt.
Der GKV-IPReG ThinkTank, Veranstalter dieser Tagung, wird deshalb diesen Austausch weiterhin pflegen und fördern. Inzwischen gehören ihm schon über 60 Teilnehmende aus Menschen mit Intensivpflegebedarf, Angehörigen, Selbsthilfe, Medizin, Wissenschaft, Medizintechnik, Pflege, Therapie und Sozialrecht an. Wer mitarbeiten möchte und an den 14-tägigen Zoom-Meetings teilnehmen möchte, ist herzlich dazu eingeladen.
Mehr unter www.cody.care/gkv-ipreg-thinktank

Fotos: GKV-IPReG ThinkTank.

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