Die neuen Versorgungsverträge in der außerklinischen Intensivpflege sollen bis 30. Juni abgeschlossen sein. Das halten die Experten auf dem KAI Rechtstag für fast ausgeschlossen.
Die außerklinische Intensivpflege steht nun seit 2019 im Zeichen neuer Gesetzgebungen und neu aufgestellter rechtlicher Rahmenbedingungen. Aus dem ursprünglichen RISG wurde das IPReG, jetzt stehen, nachdem im vergangenen Juli die neuen Rahmenempfehlungen in Kraft traten, die benötigten neuen Versorgungsverträge nach §132l SGB V für die Pflegedienste auf der Tagesordnung. Diese sollen ab dem 30. Juni 2024 gelten. Die alten Ergänzungsvereinbarungen nach §132a SGB V verlieren dann ihre Wirkung. Dass kaum ein Dienst einen solchen neuen Vertrag jedoch bisher mit den Kassen abgeschlossen hat, war das große Thema beim KAI Rechtstag für die außerklinische Intensivpflege am 22. Mai in Berlin. Die Branche gerät damit in deutlichen Zeitdruck – einen nicht unerheblichen Teil der Schuld sehen die Betroffenen bei den Kassen.
Erste Vertragsverhandlungen auf Landesebene seien Ende September 2023 gestartet, erklärt Dr. Oliver Stegemann, Justiziar beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Zwischen November 2023 und Januar 2024 seien auch die meisten Kassen in die Verhandlungen eingestiegen, in zwei Bundesländern sei der Startschuss jedoch erst Ende April 2024 gefallen. Zum Datum des KAI Rechtstags seien lediglich in einigen wenigen Bundesländern partiell Vertragsverhandlungen abgeschlossen. Viel zu spät, so Stegemann. „Die Verschleppung der Verhandlungen beruhte maßgeblich auf fehlender Koordinierung der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen untereinander.“ Die Kassen hätten zudem ein falsches Selbstverständnis: „Die Krankenkassen agieren nicht als Vertragspartner, sondern wollen Leistungserbringer nach Antragstellung zulassen“, so der bpa-Mann. Ein zuvor erarbeiteter „Mantelvertrag“, der in allen Ländern als Grundlage für die Verhandlungen gelten sollte, hatte zudem ebenfalls deutlich Zeit gekostet. „Das Ziel wurde verfehlt, weil in allen Bundesländern unterschiedlich stark vom Mantelvertrag abgewichen wurde“. Der bpa gehe nicht davon aus, dass bis zum 1. Juli flächendeckend Vertragsabschlüsse inklusive Vergütungsvereinbarung umgesetzt werden können. Daher empfiehlt der Verband: „Bereiten Sie ihre Vergütungskalkulationen inklusive Strukturerhebungsbögen vor und rufen sie die Landesverbände der Kanken- und Ersatzkassen zu Vertrags- und Vergütungsverhandlungen auf.“ Dabei sollte auch auf Interimsvereinbarungen für die Zeit nach dem 30. Juni 2024 und bis zum Abschluss endgültiger Vergütungsvereinbarungen geachtet werden.
Die Verhandlungen um die Rahmenempfehlungen (RE) nach § 132l Abs 2 SGB V aus dem letzten Jahr gestalteten sich schwierig und langwierig“, erläuterte Rechtsanwältin Anja Hoffmann. Sie vertritt verschiedene Pflegeunternehmen im Raum Berlin in den Verhandlungen mit den Kassen. „Zu diversen Themen gab es Maximalforderungen (zum Beispiel §132l Abs 2 Nr 2 SGB V, strukturelle Anforderungen an Wohneinheiten), was sich im Text des § 7 der RE widerspiegelt.“ Auch die Umsetzung der RE in die neuen Verträge nach §132l Abs. 5 SGB V auf Landesebene gestaltete und gestaltet sich schwierig und langwierig, so die Juristin. Bis heute seien die Verhandlungen der Musterverträge – weder ambulant noch stationär – beendet. „Die RE nach § 132l SGB V haben versucht, den Interessen, Erwartungen und Forderungen von betroffenen Versicherten (und deren Vertretern), ambulanten und stationären Leistungserbringern, Kostenträgern (bzw. deren Verhandlern) und rechtlichen Beratern gerecht zu werden.“ Die beteiligten Parteien hätten bei der Erstellung der RE in einigen Punkten versäumt, diese unmissverständlich klarzustellen, unter anderem bei der Qualifikation der PDL, der neuen Qualifikation von Pflegefachkräften, und der Berufserfahrung. „Alle Beteiligten sind daher aktuell bei der Umsetzung der RE auf Landesebene aufgefordert, praktikable Kompromisse beziehungsweise praxistaugliche Formulierungen zu finden. Dies gelingt bislang nicht immer.“
Nachdem ein Vertreter des GKV-Spitzenverbandes kurzfristig absagen musste, ließen sich leider kurzfristig keine Ersatz-Vertreterinnen und -Vertreter der Kranken- und Ersatzkassen für eine Teilnahme an der Diskussion um die Vertragsverhandlungen gewinnen.