Dringender Aufruf an das BMG

Mit folgendem Schreiben, wendet sich der GKV-IPReG ThinkTank an das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und weitere Bundesministerien, den Gemeinsamen Bundesausschuss, die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker sowie verschiedene Verbände und Fachgesellschaften.

Memorandum

Pandemische Notlage gefährdet erfolgreiche Umsetzung der Richtlinie zur Außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V.
 Moratorium der Übergangsfristen zwingend erforderlich.

Der GKV-IPReG ThinkTank appelliert an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Frist, ab dem die Verordnung von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nur noch nach der Richtlinie über die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege (AKI) erfolgen kann, zu verlängern. Der Aufbau flächendeckender Versorgungsstrukturen, insbesondere für die vor jeder Verordnung erforderliche Potentialerhebung, kann bis zur vorgesehenen Umsetzung der AKI-Richtlinie ab dem 1. Januar 2023 aus Sicht der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner nicht gewährleistet werden. Die Verordnungssicherheit für die zur Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen erforderliche ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft ist dadurch substanziell gefährdet. Betroffene könnten damit unversorgt bleiben und Pflegedienste dürften und könnten notwendige Leistungen nicht erbringen.

Zur Erläuterung:
Der Aufbau geeigneter Strukturen für die Versorgung der Versicherten durch Ärztinnen und Ärzte, die für die Beatmungskontrolle und Bewertung von Entwöhnungspotenzialen qualifiziert sind, wird durch die anhaltende pandemische Situation zusätzlich erschwert. Um eine flächendeckende Versorgung gewährleisten zu können, sollen die verpflichtenden Erhebungen auch durch Intensivmediziner und Pneumologen durchgeführt werden. Diese Facharztgruppen sind durch die pandemische Situation aktuell an ihren Belastungsgrenzen; ebenso die Einrichtungen, in denen eine solche Leistung erbracht werden könnte. Der Aufbau geeigneter Versorgungspfade kann unter den aktuellen Umständen innerhalb der vorgesehenen Frist nicht gelingen.
Nach Veröffentlichung der Richtlinie im Bundesanzeiger müssen sich Kostenträger und ärztliche Leistungserbringer innerhalb einer Frist von sechs Monaten über die Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) verständigen. Erst danach ist es den entsprechend qualifizierten Fachärztinnen und -ärzten sowie den nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten und Krankenhäusern möglich zu entscheiden, ob eine Beteiligung an der vertragsärztlichen Versorgung für sie wirtschaftlich ist und ob eine Befugnis zur Durchführung der Erhebung bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragt wird. Mit den erforderlichen strukturellen Anpassungen kann daher voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 begonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Versicherten jedoch bereits über die Arztsuche des Nationalen Gesundheitsportals Kontakt zu einem qualifizierten Facharzt aufnehmen, um einen Termin für eine Erhebung im IV. Quartal 2022 zu vereinbaren. Dies ist erforderlich, da die Erhebung zur Verordnung ab dem 1. Januar 2023 bereits vorliegen muss und nicht älter als drei Monate sein darf. Die Erhebungen müssen daher bereits im IV. Quartal 2022 erfolgen.
Im Regelfall ist bei Versicherten, die durch einen Leistungserbringer nach § 132a Absatz 4 SGB V versorgt werden, die Verordnungsdauer auf drei Monate begrenzt. Auch bei Verordnungen für sechs oder zwölf Monate ist ein erheblicher Anteil der Versicherten auf eine erneute Verordnung im I. Quartal angewiesen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Mehrheit der 22.500 betroffenen Versicherten bereits im Herbst 2022 einen Termin für die Erhebung bei einem hierfür qualifizierten Facharzt benötigen.

Notwendige Anpassungen:
Wir appellieren daher an das BMG, bei der Prüfung der AKI-Richtlinie vor Veröffentlichung im Bundesanzeiger, die genannten Aspekte zwingend zu berücksichtigen und das Datum für die Umsetzung der AKI-Richtlinie so weit zu verschieben, bis die Verordnungssicherheit auch unter Berücksichtigung der pandemischen Situation flächendeckend gewährleistet werden kann. Hier sind angemessene Vorkehrungen zu treffen. Gegebenenfalls sollte überlegt werden, im Rahmen einer flankierenden Machbarkeitsstudie Kennzahlen einzuholen, die Aussagen zu den Kapazitäten und den Möglichkeiten der Umsetzung umfassen, um sachbezogene Einschätzungen vornehmen zu können.
Weiterhin halten wir es für erforderlich, die Umsetzung der neuen, teilweise noch nicht geschaffenen Voraussetzungen für die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege deutlich schneller als bisher vorgesehen zu evaluieren.
Für die mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) im § 40 SGB V eingeführte Änderungen der Rehabilitationsversorgung ist erstmals zum 30. Juni 2022 und anschließend jährlich vom GKV-Spitzenverband ein Bericht beim Bundesgesundheitsministerium vorzulegen, um die Erfahrungen mit der vertragsärztlichen Verordnung von geriatrischer Rehabilitation bewerten zu können. Die Wirkung der mit einer deutlich höheren Regelungsdichte und Eingriffsintensität verbundenen Neuordnung der Verordnungspraxis für außerklinische Intensivpflege soll dagegen erstmalig vier Jahre nach Inkrafttreten bis Ende des Jahres 2026 evaluiert werden. Folgeprüfungen sind nicht vorgesehen. Dies gefährdet die gegebenenfalls notwendigen Versorgungsanpassungen, Revisionsmöglichkeiten und verhindert eine zeitgerechte Reaktionsmöglichkeit zur Sicherstellung der Versorgung.
Die Auswirkungen auf die Versorgung und die flächenhafte Entwicklung der für die Erhebung und Verordnung verfügbaren Fachärztinnen und -ärzte im Bereich der AKI-Versorgung muss ebenfalls mindestens jährlich überprüft und dokumentiert werden, um die Verordnungs- und Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Angesichts der heute bereits unzureichenden Kapazitäten in der pflegerischen und medizinischen Versorgung dieser Patientengruppe bedarf auch die Umsetzung des Anspruchs auf außerklinische Intensivpflege und die Berücksichtigung der berechtigten Wünsche der Versicherten zum Leistungsort einer engmaschigen Überprüfung.

Im Namen des GKV-IPReG ThinkTank:
Henriette Cartolano, 2. Vorsitzende INTENSIVkinder zuhause e.V.
Dr. med. Paul Diesener, Arzt für Anästhesiologie, Leiter Dysphagie- und Trachealkanülensprechstunde Hegau-Jugendwerk Gailingen
Prof. Dr. rer. medic. Michael Isfort, Professor für Pflegewissenschaft und Versorgungsforschung an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW), Fachbereich Gesundheitswesen, Abteilung Köln, Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP)
Christoph Jaschke, Leiter Innovation & Öffentlichkeitsarbeit, Kongresspräsident, MAIK Münchner außerklinischer Intensiv Kongress
Dr. phil. Maria Panzer, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kongresspräsidentin MAIK Münchner außerklinischer Intensiv Kongress, Pressesprecherin DIGAB e.V.

Kontakt:
GKV-IPReG ThinkTank Kohlstattstraße 25
, 82041 Oberhaching
, 0174 / 333 63 63 E-Mail: mail@gkv-ipreg.info

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